Vorgeschichte
Die Wiener Bäckergenossenschaft besaß bis zum Jahre 1874 kein eigenes Medium. Anfangs der 70er Jahre erschienen die offiziellen Verlautbarungen der Genossenschaft sowie die verschiedenen Besprechungen gewerblicher Verhältnisse in der so genannten „Wiener Sonntagszeitung“, einem Wochenblatt, welches damals in Gewerbekreisen außerordentlich verbreitet war. Im Jahre 1875 trat die Wiener Bäckergenossenschaft mit dem Verlagsbuchhändler Otto Maaß in Verbindung, um die Herausgabe einer eigenen Publikation in die Wege zu leiten. Diese erste Zeitung war die „Wiener Bäcker- und Konditorzeitung“, deren erste Nummer am 1. Jänner 1876 erschien. Diese Zeitung blieb auch fast ein Jahrzehnt hindurch das einzige Bäckerfachblatt Österreichs.
Allerdings entstand bald eine Unzufriedenheit in den Wiener Bäckerkreisen, so dass in den 90iger Jahren eine andere Form gesucht wurde, um der publizistischen Vertretung der Genossenschaft entsprechend gerecht zu werden. Speziell war es damals der
Bäckermeister Andreas Grimm der auf den geringen fachlichen Wert der Bäcker- und Konditorzeitung hingewiesen hat und die Gründung eines eigenen Organs unter fachmännischer Leitung verlangte. Die Wiener Bäckergenossenschaft löste daraufhin den bisherigen Vertrag mit Otto Maaß und begünstigte damit die Gründung eines neuen bäckerspezifischen Fachblattes, das unter dem Namen „Austria“ erscheinen sollte.
Das Erscheinen dieses Fachblattes hängt sehr eng mit den Bestrebungen der damaligen Fachgenossenschaften zusammen, einen Zentralverband zu gründen. Im Sommer 1892 fand daraufhin in Wien ein Österreichisch-Ungarischer Bäckertag statt. Auf diesem wurde der Verband der Bäckermeister Österreichs gegründet. Dieser so genannte Austria Verband, der dem deutschen Germania Verband nachempfunden wurde, konnte sich allerdings nicht wirklich weiterentwickeln und so schrumpfte dieser Verband im Laufe der Jahre zu einer lokalen Vereinigung zusammen. Das Fachblatt Aus-tria blieb allerdings während eines ganzen Jahrzehnts das einzige Bäckerfachblatt Österreichs.
Eine weitere Entwicklung der Bäckerfachpresse war in Deutsch-Böhmen zu verzeichnen. Dort hatte sich ein Verband der Bäcker und Zuckerbäcker entwickelt, der sich aber nach einigen Jahren wieder auflöste. Größere Erfolge erzielte ein Verband der Bäckermeister Deutsch-Böhmens unter der Führung des Bäckermeisters Pampan. Hier entstanden die Fachzeitung „Der Bäckermeister in Deutsch-Böhmen“ sowie das bedeutendere Organ des Verbandes der Bäckermeister Deutsch-Böhmens das den Titel „Der Bäckermeister“ trug.
Der Umstand, dass die Fachpresse, insbesondere die Austria, von privater Seite geführt wurde, zeigte bald Interessenskonflikte zwischen den Inserentengruppen und dem Herausgeber, was sich speziell bei der Bildung eines Hefekartells als besonders nachteilig zeigte, da das Blatt „Austria“ die Interessen der Standesgenossen den Wünschen seiner Inserenten opferte.
Gerade die Monopolstellung, die damals das Organ der Wiener Genossenschaft einnahm, ließ diesen Zustand als außerordentlich schädlich empfinden. In den Reihen der Wiener Bäcker kam man zur Überzeugung, dass die Fachpresse privaten Interessenssphären entzogen und in die Hand der Bäcker, d. h. in die Hand der Genossenschaft, übergehen muss. Am 1. Juli 1905 wurde schließlich der Vertrag mit Andreas Grimm und der Zeitung Austria beendet, damit hörte die „Austria“ auf, ein offizielles Organ der Wiener Bäckergenossenschaft zu sein. Unmittelbar vor den Neuwahlen in die Bäckergenossenschaft wurde den Mitgliedern versprochen, dass ein neues Organ geschaffen wird, das erstmals ausschließlich im Eigentum der Wiener Bäckergenossenschaft stehen und den Titel Österreichische Bäckerzeitung tragen sollte.
Die erste Ausgabe der Österreichischen Bäckerzeitung erschien am 1. Jänner 1906.
In der folgenden Darstellung sollen nun die Schwerpunkte, die die Österreichische Bäckerzeitung im Laufe eines Jahrhunderts abgehandelt hat, dargestellt werden.
Es handelt sich um keine wissenschaftliche Aufbereitung sondern um eine Darstellung der wesentlichen Themen, die die Bäckerschaft in den jeweiligen Jahrzehnten besonders bewegt haben. Viele Themen, die bereits vor hundert Jahren umrissen wurden, finden sich in gleicher oder ähnlicher Weise auch in der Gegenwart, wenngleich sich das Umfeld und die gesellschaftlichen Voraussetzungen wesentlich geändert haben.
In vielen Fällen werden Originalzitate gebracht, die in der Farbe Orange und in Kursivschrift abgedruckt sind.