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Die Jahre 1906-1915

Der Zentralverband und die Bäckerorganisationen

Der damalige Wiener Genossenschaftsvorsteher Johann Breunig war davon überzeugt, dass sich die Probleme eines Berufsstandes am besten durch ein geschlossenes Auftreten lösen lassen. Dazu gehört einerseits ein Medium, das regelmäßig über diese Probleme berichtet und den Mitgliedern auch Lösungsvorschläge anbietet, andererseits wurde erkannt, dass die damals sehr stark regionalisierten Bäckergenossenschaften auch einer zentralen Unterstützung bedurften, um Problemen, die die gesamte Bäckerschaft betrafen, gemeinsam begegnen zu können. Nach dem deutschen Vorbild, dem so genannten Germania Verband der Bäcker, und nach dem Scheitern eines Austria Verbandes, sollte nunmehr auch in Österreich mit Unterstützung der Österreichischen Bäckerzeitung ein neuer Zentralverband geschaffen werden.
 

Bereits 1906 machte sich der Wiener Genossenschaftsvorstand im Auftrag des Delegiertentages der Bäckermeister Österreichs daran, Statuten für einen Zentralverband auszuarbeiten. Parallel dazu wurde in zahlreichen Artikeln in der Österreichischen Bäckerzeitung auf die Notwendigkeit eines Zentralverbandes hingewiesen und nahmen Johann Breunig und andere Mitglieder des Wiener Vorstandes jede Gelegenheit war, um auf den Tagungen der Landesverbände ihre missionarische Tätigkeit zu entfalten. Tatsächlich waren diese Statuten bereits im Mai 1906 fertig. Am 12. Juni 1906 tagten die Obmänner der Landesverbände und beschlossen, dass sich die Landesverbände von Niederösterreich, Ober-österreich, Tirol, Mähren, Schlesien, Steiermark und Böhmen zum Zentralverband der Bäckermeister Österreichs unter der Führung der Wiener Bäckergenossenschaft zusammenschließen werden. Lediglich der Salzburger Landesverband konnte vorerst von der Sinnhaftigkeit nicht überzeugt werden, besann sich aber Ende 1906 doch eines Besseren, sodass der Konstituierung nichts mehr im Wege stand. Am 19. und 20. Juni 1907 war es dann soweit, im Wiener Bäckerhaus in der Florianigasse 13, wurde der „I. (konstituierende) Zentralverbandstag der Bäckermeister Österreichs“ abgehalten.
 

Ab diesem Zeitpunkt titelte die Österreichische Bäckerzeitung: „Alleiniges offizielles Organ der Genossenschaft der Bäcker in Wien und der Genossenschaften in Graz, Linz, Klagenfurt, Teschen, Marburg, Wr. Neustadt, St. Pölten, Baden, Krems, Mödling, Tulln, Bruck/Leitha, Waidhofen/Ybbs, Mistelbach, Korneuburg, Stockerau, Amstetten etc., Offizielles Organ des Zentralverbandes der Bäcker Österreichs, Offizielles Organ der Verbände der Bäckermeister in Niederösterreich, Mähren, Schlesien etc.“​
 

Zunächst handelte es sich bei den Bäckergenossenschaften und Verbänden um freiwillige Organisationen, die aber dennoch einen regen Zulauf fanden. Allein der niederösterreichische Landesverband zählte damals über 2.500 Mitglieder. Auch war es den lokalen Genossenschaften freigestellt, Mitglied im Landesverband zu werden. Doch bereits in den folgenden Jahren bewarb die Österreichische Bäckerzeitung immer stärker die Umwandlung von der freien Vereinigung zur „Genossenschaft höherer Ordnung“​, da mit der damaligen Regelung in der Gewerbeordnung viele Vorteile verbunden waren, auch quasi ein behördlicher Charakter in das Genossenschaftswesen einfloss. Schon im September 1909 konstituierte sich in Linz der neue​ „Zentralverband der Genossenschaftsverbände der Bäckermeister Österreichs“, die Umwandlung der freien Landesverbände in Genossenschaftsverbände sollte in den einzelnen Kronländern rasch folgen. Mit dieser Umwandlung war auch eine verpflichtende Mitgliedschaft verbunden.
Dementsprechend war die Österreichische Bäckerzeitung damit auch das Offizielle Organ des neu konstituierten Zentralverbandes.​

 

Von den brotbackenden Müllern und den feindlichen Brüdern


Über Jahrzehnte sollten diese beiden Punkte, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, die Bäckerfachpresse beherrschen. In Wahrheit waren es reine Gewerbeabgrenzungsfragen, die allerdings die Wogen immer wieder hochgehen ließen. Einerseits ärgerten sich die Bäcker über die „Schmutzkonkurrenz“ der brotbackenden Müller, andererseits ärgerten sich die Zuckerbäcker über die Erzeugung von ihrer Meinung nach dem Konditor vorbehaltenen Waren durch die Bäcker.
Den brotbackenden Müllern war es an sich nur erlaubt, mit ihrem Hausgesinde Brot zu erzeugen, tatsächlich aber wurden Bäckergehilfen eingestellt, die einer Bäckerei vergleichbar, Brot auf den Markt brachten. Zudem führte eine Liberalisierung der Gewerbeordnung dazu, dass auch Händler, insbesondere Greißler, Brot verkaufen durften, das sie in der Folge nicht selten von brotbackenden Müllern erstanden. Die Lösung war aus damaliger Sicht relativ einfach, der (erste) Zentralverbandstag rief die Kollegenschaft auf, bei brotbackenden Müllern kein Mehl mehr zu kaufen. Diese begegneten dem Vorhaben der Bäcker aber damit, dass sie ein „Mühlenkartell“ bildeten, der Mehlverkauf wurde von Banken abgewickelt, im Mühlenkartell befanden sich aber auch nichtbrotbackende Mühlen, sodass ein direkter Zusammenhang zwischen Mühle und Mehlkauf nicht mehr gegeben war. In diesem Fall, so der Zentralverbandstag, wäre es mittelfristig zu überlegen, dass sich die Bäcker selbst eine Mühle kaufen und das was an Mehl gebraucht wird, selbst hergestellt wird.
Bereits 1906 war die der Beziehung zwischen Bäckern und Zuckerbäckern (Konditoren) innewohnende Aversion zueinander, Gegenstand zahlreicher Artikel. So gab es 1906 den ersten Skandal, als Marktamtsbeamte in Begleitung des Vorstehers der Wiener Zuckerbäckergenossenschaft Revisionen bei Bäckern durchführten, wobei die Beamten den Vorsteher als behördlich Beauftragten für die Revision vorstellten, deren Sinn im Wesentlichen darin lag, festzustellen, „ob der eine oder andere Bäcker Waren erzeugt und verkauft, die nach Ansicht des Genossenschaftsvorstehers nur der Zuckerbäcker führen dürfte“. Logischerweise führte dies zu einer entsprechenden Reaktion der Bäckergenossenschaft bei der Behörde. Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten. Auf dem Verbandstag der Zuckerbäcker 1908 erklärte der Vorsteher der Zuckerbäckergenossenschaft, dass „der Kampf zwischen Zuckerbäcker und Bäcker endlich ausgetragen werden müsse!“. Anlass dazu bot der im Jahre 1907 auf Grund einer Anzeige der Konditorgenossenschaft in Kraft getretene Erlass des Wiener Magistrates, „wonach Bäckern, die auch das Zuckerbäckergewerbe betreiben oder den Handel mit den Erzeugnissen dieses Gewerbes angemeldet haben, wenn sie nur ein Verschleißlokal haben, unter allen Umständen der gesamte Warenverschleiß an Sonntagen nur von 6 Uhr früh bis 12 Uhr mittags gestattet ist!“​
Kein Problem war dieser Erlass für jene Betriebe, die wohl über beide Berechtigungen verfügten, allerdings auch räumlich getrennte Lokale hatten. Wer nicht über diese Trennung verfügte, musste am Sonntag um 12 Uhr zusperren, wobei auch das Aufstellen von transportablen Wänden nicht vor dem Auge jedes Beamten Wohlwollen hervorrief. Ganz sicher verboten war das Offenhalten aber für jene Bäcker, die nur ein gemeinsames Lokal für Bäcker und Zuckerbäckerwaren zur Verfügung hatten, auch wenn sie am Nachmittag die Bäckerwaren aus den Vitrinen entfernten. „​Jedenfalls ist es die Absicht der Zuckerbäckergenossenschaft die Behörden durch massenhafte Anzeigen der Konditorei treibenden Bäcker zu radikalerem Vorgehen zu bewegen!“, wie die Österreichische Bäckerzeitung am 6. Dezember 1908 feststellte. 1909 fand auf Einladung der Handels- und Gewerbekammer in Graz ein Treffen zwischen den beiden dort ansässigen Genossenschaften statt, um die Abgrenzung zwischen dem Bäcker- und dem Zuckerbä-ckergewerbe auf der Basis verschiedener Produktgruppen zu regeln. Doch schon wenige Wochen später machte sich eine Deputation der Zuckerbäckergenossenschaft zum Handelsminister auf, um eine „Denk- und Beschwerdeschrift“ zu überreichen, wo sie sich im Wesentlichen gegen die Erzeugung bestimmter Produkte durch die Bäcker aussprach, aber auch gegen „die ungesetzliche Praxis in der Benützung von Strohmännern“, aus heutiger Sicht würden wir vom gewerberechtlichen Geschäftsführer sprechen. Allen Ernstes verlangten die Konditoren in ihrer Petition, "daß die Bäcker Faschingskrapfen nur ohne Füllung, vom Zwieback nur sogenannten Kinderzwieback ohne Zucker, erzeugen sollen“. In weiterer Folge gab es eine Fülle von verschiedenen Gutachten. Die einen sahen den Ansatz in der eingesetzten Mehlmenge, die zumindest 50 % betragen müsste, um das Erzeugnis – auch – den Bäckern zuzugestehen, andere meinten der Mehleinsatz müsse zumindest 60-70 % betragen. Daneben gab es Abgrenzungslisten, die durch die Gutachten verschiedener Handelskammern entstanden, die eine Dreiteilung der Produkte vorsahen. Produkte, die ausschließlich aus Sauerteig und Germ hergestellt wurden, sollten den Bäckern vorbehalten sein, Erzeugnisse, die aus Germ und Mehl hergestellt wurden, jedoch auch Zucker, Eier, Butter, Milch, Rosinen etc. enthielten, sollten von beiden Gewerben erzeugt werden dürfen, Erzeugnisse, welche ohne Beimengung von Germ nur aus Mehl, Eier, Butter etc. hergestellt wurden, sollten den Zuckerbäckern allein vorbehalten werden. Letztere Liste wurde auch 1913 in der Österreichischen Bäckerzeitung veröffentlicht, und schien, zumindest für einige Zeit, als gangbarer Kompromiss angesehen zu werden.

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